top of page
Marion Weigl

Gefühle bei den anderen lassen – und warum das so schwer ist

Aktualisiert: 14. Dez.





„Lass die Gefühle bei den anderen.“ Das klingt auf den ersten Blick wie eine einfache Lebensweisheit, die uns helfen soll, nicht jede schlechte Laune oder Kritik von anderen persönlich zu nehmen. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, dürfen wir uns einmal fragen: Wie oft schaffen wir es wirklich, die Wut des Partners, den Stress der Kollegin oder die Enttäuschung eines Freundes nicht an uns heranzulassen?


Wir nehmen die Gefühle anderer auf, weil wir uns dadurch sicherer fühlen. Was erst einmal ziemlich paradox klingt, ist für viele von uns vertraut.



WARUM ABER IST ES JETZT SO SCHWER DIE GEFÜHLE DER ANDEREN AUCH DORT ZU LASSEN?


1. Frühkindliche Programmierung:

Wenn du in deiner Kindheit gelernt hast, dass dein Wohlbefinden von der Stimmung anderer abhängt (z. B. ob die Eltern glücklich oder gestresst waren), hast du unbewusst die Überzeugung übernommen, dass du die Emotionen anderer „regeln“ musst, um dich wohl und sicher fühlen zu können.


2. Kontrolle statt Ohnmacht:

Indem wir die Gefühle anderer aufnehmen, versuchen wir, die Kontrolle zurückzugewinnen. Wenn wir glauben, dass die Vertanwortung für den Ärger oder die Trauer des anderen haben, dann gibt uns das auch die Kontrolle das Ganze wieder reparieren zu können. Wir müssen so also nicht mit einem Ohnmachtsgefühl leben, sondern haben das Gefühl etwas tun zu können. Das wiederum "zwingt" uns nicht dazu aus der Beziehung gehen zu müssen, den wir sind ja diejenigen, die sie "fixen/reparieren" müssen.


3. Empathie, die außer Kontrolle gerät:

Empathie ist eine wunderbare Fähigkeit. Sie wird uns aber zur Last, wenn wir sie mit Verantwortung verwechseln. Fühlst du dich sofort schuldig oder verantwortlich, wenn jemand traurig oder wütend ist? Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass du sehr empathisch bist und die Gefühle der anderen mit deinen verwechselst.



WAS PASSIERT, WENN DU DIE GEFÜLE NICHT BEI ANDEREN LÄSST?


Wenn du die Emotionen anderer aufnimmst, laugt es dich selbst emotional und körperlich irgendwann aus:

• Du fühlst dich überwältigt, obwohl es gar nicht dein Ärger oder deine Trauer ist.

• Du verlierst die Verbindung zu deinen eigenen Bedürfnissen und Grenzen.

• Du gerätst in toxische Dynamiken, in denen du die Rolle des „Retters“ übernimmst.


WIE DU LERNEN KANNST, GEFÜHLE BEI ANDEREN ZU LASSEN

1. Was ist wirklich deines - und was nicht?

Stell dir die Frage: „Ist das, was ich gerade fühle, wirklich meine Emotion? Oder nehme ich sie von jemand anderem auf?“

Gib dir dabei Zeit und sei geduldig mit dir. Du wirst darin Schritt für Schritt besser werden und besser unterscheiden können, was tatsächlich zu dir gehört und was von anderen kommt.


2. Schaffe ein inneres Bild:

Stell dir vor, die Gefühle des anderen sind wie ein schweres Gepäckstück. Du kannst es sehen, aber du musst es nicht tragen. Es gehört nicht dir. Übe dich dann darin Grenzen zu setzten, um zu vermeiden, dass du in toxischen Beziehungsgeflechten hängen bleibst.


3. Übe radikale Selbstverantwortung:

Erinnere dich daran, dass du für deine Gefühle zuständig bist – und der andere für seine. Das mag am Anfang hart klingen, aber es schafft echte Freiheit und gesunde Beziehungen.



DAS UNERWARTET


Wenn du aufhörst, die Gefühle anderer zu deinem Problem zu machen, bist du nicht weniger mitfühlend – sondern sogar mehr. Warum? Weil du Menschen ohne Mitleid und Schuldgefühle begegnen kannst. Du hältst Raum für ihre Emotionen, ohne selbst darin zu ertrinken.


Und das ist die wahre Kunst: mitfühlend sein, ohne dich selbst zu verlieren.

1 Ansicht0 Kommentare

Comments


bottom of page